Porträt meiner Tochter Sybille
In diesem Bild verwende ich folgende Farben: Zinkweiß, Zitronengelb, Kadmiumgelb, Neapelgelb, Lichter Ocker, Orange, Kadmiumrot, Magenta, Alizarin Krapplack, Siena gebrannt, Umbra gebrannt, Kobalttürkis, Kobaltblau, Ultramarinblau. Es ist sehr wichtig, den Charakter des Modells wiederzugeben. Es gibt sanfte und starke Typen. Porträts zu maIen ist sehr schön, erfordert aber auch höchste Konzentration, man vergisst dabei die ganze Welt, und dann kommt das Gesicht aus dem Nichts, das ist wirklich wie Zauberei!
Die Kopfhaltung meiner Tochter erinnert mich an die „Venus“ von Botticelli. Sybille schaut uns hier direkt an. Es kommt zum Augenkontakt und zu einer direkten Beziehung zwischen uns als Betrachter und dem Porträt. Ich entscheide mich für die Halbfigur (Oberkörper bis zur Taille, unter Einbeziehung der angewinkelten Arme mit den Händen) und für eine Dreieckskomposition. Diese wird beim Porträt sehr oft verwendet, auch damals von Alten Meistern wie da Vinci, Dürer, Rembrandt, Rubens bis hin zum Impressionisten Renoir. Die Spitze nach oben beim Dreieck symbolisiert Schönheit, Weisheit und geistige Stärke, sie bedeutet aber auch Ruhe, Harmonie und Konzentration.
Das Gesicht sollte man nicht zu groß und nicht zu klein malen, am besten „in natura“. Als Maß nehmen Sie bitte Ihre eigene Hand vom Handgelenk bis zu den Fingerspitzen . Zur Halbfigur gehören ja auch die Hände, sie sagen sehr viel über den Charakter des Menschen. Die Leinwand (70 x 60 cm) untermale ich mit Lichter Ocker. Man kann Harmonie im Bild erzielen, wenn man farbige Hintergründe nimmt. Lichter Ocker beinhaltet bereits die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau, wir Maler verwenden ja nur diese drei Farben und alle Mischungen daraus. Übrigens mit Lichter Ocker kann man auch die Farben abschwächen und mildern. Ich skizziere das Porträt mit einem Pastellstift. Ein Bleistift eignet sich überhaupt nicht, da er durch die Schichten hindurchscheint. Beim Porträt muss man bedenken, dass die Augen bei Erwachsenen in der Mitte des Kopfes sind. Der Abstand zwischen den Augen ist die Breite eines Auges. Der Abstand zwischen Haaransatz und Augenbrauen ist gleich dem Abstand zwischen Augenbrauen und Nasenspitze, und dieser ist auch gleich zwischen Nasespitze und Kinn. In der Hälfte des Abstandes Nasenspitze und Kinn befindet sich der untere Rand der unteren Lippe. Hier neigt Sybille das Gesicht zur Seite, die waagerechte Augenlinie verläuft parallel und mit dem gleichen Winkel zur Nase und Mundlinie. Nach der Skizze lege ich eine erste Lasur in Lichter Ocker an.
Ich möchte Sybilles rotorange Haare in den Vordergrund rücken, denn zusammen mit den blondroten Farbreflexen bilden sie einen tollen Kontrast zum azurblauen Himmel. Ich entscheide mich für den Kalt-Warm-Kontrast, nämlich Rotorange und Blaugrün, so fange ich die malerische Stimmung ein. Der Hintergrund, also der blaue Himmel, und dessen Licht beeinflusst die Farben, er soll das Porträt begleiten und nicht so sehr im Vordergrund stehen.
Den Hintergrund gestalte ich in sehr, sehr lockeren Pinselstrichen aus Kobaltblau, Kobalttürkis und Ultramarinblau, die erste Lasur aus Lichter Ocker scheint noch durch. Im unteren Bereich kommt noch Alizarin Krapplack hinzu.
Ich werde den roten Farbton auch für die Haare verwenden. In einem Bild sollte man Verbindungen schaffen.
Nun folgen die ersten Lasuren für die Haare, hier verwende ich Siena gebrannt, Umbra gebrannt und Kadmiumrot. Für die ganz dunklen Schatten in den Haaren nehme ich eine Mischung aus Ultramarinblau, Alizarin Krapplack und Umbra gebrannt. Das ist auch mein „dunkelstes Dunkel“, ich benötige kein Schwarz. Für die Lichter in den Haaren nehme ich Orange, Neapelgelb und Weiß. Die Haare bekommen jetzt noch mehr Volumen und werden ausgearbeitet. Die Farbe der Haare beeinflusst den Teint des Gesichts. Die erste Schicht der Gesichtsfarbe mische ich aus Kadmiumgelb, Kobaltblau und Orange, ein warmer grünlicher Ton entsteht. Die helle Seite des Gesichtes male ich aus einer Mischung Siena gebrannt, Alizarin Krapplack, Neapelgelb und viel Weiß. Sehr helle Stellen bekommen Mischungen aus Magenta, Kadmiumgelb und erneut viel Weiß. Die schattige Seite des Gesichtes male ich aus Alizarin Krapplack, UItramarinblau und Orange.
Für mich sind die Augen das Schönste in einem Gesicht. Die Augen eines Porträts sollten einen von überall aus anblicken, sie sollen den Betrachter quasi verfolgen.
Die Augen müssen lebendig sein. Ich nehme einen kleinen Pinsel Nr. 2 und male die Augen aus Umbra gebrannt, aber an manchen Stellen lasse ich den Hintergrund aus Lichter Ocker durchscheinen.
Ein kleiner Tipp: Wenn man der Farbe Weiß ein bisschen Blau zugibt, wird sie noch weißer, noch strahlender. Damit setze ich die Glanzlichter in den Augen. Es ist wichtig, in die Lidwärzchen ein wenig Rot zu geben um das Auge zu beleben. Die Augenbrauen male ich mit einer Mischung aus Umbra gebrannt und ein wenig Orange. Ich finde über die Ähnlichkeit zwischen Modell und Porträt entscheidet oft der Mund. Ich mische ihn hier aus Alizarin Krapplack und Magenta. Die Mitte des Mundes male ich mit dem kleinem Pinsel Nr. 2 mit Umbra gebrannt.
Im Bild müssen sich die Farben überall in all ihren Schattierungen finden, so legen sich die Farben des Hintergrundes auch auf die weiße Bluse nieder. Weiß ist nicht gleich Weiß, denn es reflektiert die Farben der Umgebung.
Möchten Sie wissen, ob eine Farbe kalt oder warm wirkt? Am besten erfahren sie es, wenn sie ihr Weiß beimischen. Aus Krapplack zum Beispiel wird dann ein kühles Rot; Kadmiumrot und Umbra gebrannt empfinden wir dann als warme Farben. Kalten Farben wie Blau , Grün und Violett tut Weiß gut, denn mit Weiß gemischt glänzen sie, und so habe hier ich für die blauen Reflexe auf der Bluse, Kobalttürkis und Kobaltblau mit Weiß gemischt. Kaltes Violett mische ich aus Kobalttürkis und Magenta, die grünen Reflexe entstehen aus Kobaltblau und Zitronengelb.
Für die warmen Reflexe mische ich Orange und Weiß, für die Hände nehme ich die gleiche Farbe wie für das Gesicht. Den Tisch male ich mit Lichter Ocker, so entsteht eine Verbindung zum Hintergrund.
Zum Schluss male ich das Weinglas, der Rotwein entsteht aus Alizarin Krapplack und Kadmiumrot. Lichter setze ich aus Orange, Kadmiumgelb und Weiß. Verschiedene Reflexe im Glas gestalte ich aus Alizarin Krapplack, Türkis, Kobaltblau und Weiß.
Nun schaue ich mir das Bild an und befinde es als fertig .
Der Blick des Betrachters wandert von Sybilles Augen über ihren linken Arm entlang, runter zum Glas, dann über ihre Handrichtung zu ihrem rechten Arm wieder hoch zum Gesicht und so weiter. Es ist wichtig, den Betrachterblick so lange wie möglich ans und im Bild zu fesseln, sodass er nicht so schnell das Bild verlässt, denn Bilder leben nur so lange, wie sie betrachtet werden.